Ist Oswald doch nicht der Täter von Kennedys Ermordung?
Bis heute sammeln sich viele kritische Theorien rund um die tatsächlichen Vorkommnisse bei Kennedys Ermordung. Lee Harvey Oswald ist der offizielle Einzeltäter. Doch auch daran gibt es immer wieder Zweifel. Welche Überlegungen es dazu gibt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Hanna erzählte ihre Gedanken dazu. Sie ist Tour Guide in Minsk und präsentiert die Stadt für Tourist*innen (Instagram: @guide_hanna). Hanna beschäftigte sich mit dem Thema, da auch Oswald mit Minsk verbunden war, wie sie erzählte.
Oswald kam 1959 nach Moskau, er sollte das Land aber wieder verlassen. Deshalb beging er einen Selbstmordversuch. Daraufhin durfte er in der damaligen Sowjetunion bleiben, aber nicht in Moskau sondern er wurde nach Minsk gebracht. Oswald wohnte in Minsk und arbeitete in einer Fabrik für Fernseher und Radios und fand seine große Liebe Marina Prusakowa die Weißrussin war. Er hatte ein gutes Einkommen. Aber Minsk schien langweilig zu sein: es gab keine Nachtclubs, kein Bowling, nur ab und zu Tanzveranstaltungen. Oswald war enttäuscht. Außerdem hatte er immer wieder Heimweh. Das alles beeinflusste vermutlich seine Entscheidung, mit der Frau und dem Kind nach Amerika zurückzukehren, erzählte Hanna.
Doch war die Ermordung von Kennedy wirklich das Verschulden von Oswald? Hanna erklährte sehr interessante Sichtweisen.
Welche Punkte sprechen für dich dafür oder dagegen, dass Oswald der Täter des Attentats war? Wie ist deine persönliche Meinung dazu?
Hanna: Ich sage ehrlich, ich bin nicht ganz tief in das Thema involviert. Ich habe kein einziges Buch dazu gelesen, aber viele Artikel und Interviews von den belarussischen Kollegen von Oswald. So beruht meine Meinung grundsätzlich darauf. Dazu kommen noch die persönliche Logik und Denkweise. Und alle belarussischen Bekannten von Oswald sind hier einig – Oswald ist kein Attentäter. Außerdem glaube ich persönlich nicht, dass ein Mensch alleine ohne jegliche Unterstützung so was erfolgreich unternehmen könnte. Die Geschichte kennt viele Attentate auf Staatsoberhäupter und auch auf andere und die Sicherheitskräfte sollten daraus viele Lehren gezogen haben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass in so einem progressiven Staat wie die USA mit so viel Sicherheits- und Schutzmaßnahmen ein einziger Mensch „unbemerkt“ so was vollzieht.
Angenommen Oswald war der Täter von Kennedy, hältst du es für möglich, dass er kein Einzeltäter war sondern von jemandem dafür beauftragt wurde oder dazu angestiftet wurde?
Hanna: Ja, ich kann nicht ausschließen, dass er nicht alleine handelte, aber alleine „bestraft“ wurde. Beauftragt und angestiftet – warum nicht? Wie gesagt, ich kann mir hier kaum vorstellen, dass ein Einzeltäter so eine große und schwierige Aktion durchgeführt hat. Die Sicherheitskräfte müssten auf einen Bürger mit dem sowjetischen Hintergrund während des kalten Krieges aufpassen, oder?
Welche Meinungen von anderen Leuten kennst du zu dem Tod und dem Täter von Kennedys Tod? Teilst du eine dieser Meinungen oder erscheint dir etwas davon plausibel?
Hanna: Ich kenne die Meinung von Oswalds Biografen Norman Mailer, er ist sicher, dass Oswald ein richtiger Attentäter war. So ist auch die offizielle Version der US-Regierung. So wie ich es verstehe, ist diese Meinung auf Oswalds kommunistische Ideale und seinen Zusammenhang mit der Sowjetunion zurückzuführen. Das ist plausibel. Aber hier muss ich sagen, dass seine Minsker Wohnung vom KGB abgehört wurde. Das zeugt davon, dass der KGB wenig Vertrauen an den amerikanischen Überläufer aufwies, auf jeden Fall am Anfang. Es kann sein, dass Oswald später vom KGB angeworben wurde. Aber ich denke, zwei Jahre in der Sowjetunion zu leben ist zu wenig, um einen guten Schützen und Attentäter vorzubereiten. Denn er hatte einen Vollzeitjob und eine Familie und musste sich darum kümmern. Dafür hätte er zu wenig Zeit gehabt, das ist unrealistisch für mich.
Können sich die Leute dort, wo Oswald wohnte, als Täter vorstellen?
Hanna: Es sei erwähnt, dass Minsker Bekannte und Kollegen bezweifelten, dass Oswald wirklich der Mörder Kennedys gewesen sein könne. Ich kenne die Meinungen von zwei Kollegen Oswalds: Pavel Golowatschew und Stanislaw Schuschkewitsch. Der letzte war der erste Präsident von Belarus (Weißrussland), nachdem es Anfang der 1990er unabhängig wurde. Herr Schuschkewitsch hatte viel Kontakt mit Oswald, als er hier lebte. Und er behauptete, dass Oswald zu einer solchen Tat nicht fähig gewesen sei. Der andere Kollege teilte diese Meinung und erzählte, dass Lee ein schlechter Schütze gewesen sei und bei einem Schießwettbewerb in der Fabrik scheiterte.
Inwiefern glaubst du, dass die Frau von Oswald in das Geschehen eingebunden war?
Hanna: Aus meiner heutigen Sicht glaube ich das gar nicht. Vor allem weil ich auch eine Frau bin und ein Kind erziehe. Und Marina hatte 2 Töchter. Es sollte ihr klar sein, womit das alles enden könnte. Was für eine Frau würde ihren Mann freiwillig zum Tode oder zu lebenslänglicher Strafe verurteilen? Das sollte für sie bedeuten, dass sie eine alleinerziehende Mutter wird, und das in einem weiten fremden Land.
Wir bedanken uns bei Hanna für das Interview. Für Stadtführungen in Minsk findet ihr mehr Informationen auf ihrer Instagram Seite @guide_hanna.