Über Verschwörungen und Geheimhaltung – hinter den Kulissen der Bilderberg-Konferenz
Seit Jahren kursieren um die Bilderberg-Konferenz Gerüchte, Verschwörungstheorien und Vermutungen. Die Bilderberger liefern alle Komponenten, die man für eine Verschwörungstheorie braucht: Mächtige Menschen aus Politik, Wirtschaft und Medien, die sich unter dem Grundsatz der Geheimhaltung treffen und wichtige Themen besprechen. Zwar werden mittlerweile die Teilnehmer*innen in Listen veröffentlicht, allerdings wird nicht öffentlich gemacht, wie der Auswahlprozess abläuft. Wir möchten wissen, was wirklich an den Theorien dran ist und wie wichtig die Geheimhaltung für die Konferenz ist. Außerdem beschäftigen wir uns mit dem mächtigen Steering Committee und blicken zurück, welche österreichischen Akteure in diesem bereits vertreten waren.
Soll die Konferenz selbst durch mehr Transparenz beweisen, dass sie keine Verschwörungen betreibt? Wie bedeutsam ist der Faktor der Geheimhaltung? Und wie ist es eigentlich, Teil einer Verschwörungstheorie zu sein? Wir sprechen mit einem Mann, der den Ablauf der Konferenz hautnah miterlebt hat und ebenfalls Teil des Steering Committes war: Rudolf Scholten, ehemaliger österreichischer Bundesminister. Er plaudert aus dem Nähkästchen und gibt neue Einblicke hinter die Kulissen der Konferenz:
Was ist die Bilderberg-Konferenz?
Die Bilderberg-Konferenz findet seit 1954 regelmäßig statt und soll einen Austausch unter Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Diplomatie aus Europa und Nordamerika ermöglichen. Ihren Namen erhielt die Konferenz von ihrem ersten Abhaltungsort: Dem Hotel de Bilderberg in Oosterbeek in den Niederlanden.
Geheimhaltung als Grundlage
Zentral für die Konferenz ist ein gewisser Geheimhaltungsfaktor: Während der Konferenz gilt die sogenannte Chatham House Rule. Die Teilnehmer*innen dürfen also über die diskutierten Inhalte sprechen, solange nicht nachvollziehbar ist, wer genau welche Aussage getätigt hat. Diese Vorgehensweise wird dadurch gerechtfertigt, dass alle Teilnehmer*innen so frei wie möglich sprechen sollen können.
Außerdem kann man sich für eine Teilnahme an der Konferenz nicht bewerben, sondern braucht eine Einladung. Über diese entscheidet das sogenannte Steering Committee, deren Kriterien nicht öffentlich bekannt sind. Die Gästeliste wird einige Tage vor dem Stattfinden der Konferenz veröffentlicht. Journalist*innen können an der Konferenz nur im Rahmen ihrer persönlichen Interessen teilnehmen. Es gibt kein Akkreditierungsverfahren, das eine journalistische Berichterstattung ermöglichen könnte.
Dieser Geheimhaltungsfaktor, kombiniert mit den hochkarätigen Gästen, führt dazu, dass die Konferenz immer wieder im Rahmen von verschiedenen Verschwörungstheorien genannt wird. So sollen die Teilnehmer*innen bei der Konferenz diverse Entscheidungen abgesprochen und gefällt haben, unter anderem die Wiedervereinigung Deutschlands oder auch die Einführung des Euros. Den Teilnehmer*innen und der Organisation wurde auch bereits unterstellt, an einer kapitalistisch geprägten Weltdiktatur zu arbeiten. Von Vertreter*innen dieser Theorien wird von der Organisation mehr Transparenz und Offenheit verlangt. Bis in die 1990er Jahre hielten die Organisator*innen am Vorabend des Zusammentreffens eine Pressekonferenz ab. Diese wurde jedoch wegen zu geringem medialen Interesse eingestellt.
Das Steering Committee und seine Rolle
Das vorher angesprochene Steering Committee besteht aus 32 Mitgliedern und zwei Vorsitzenden: derzeit der niederländische Wirtschaftsprofessor Victor Halberstadt und Marie-Josée Kravis, eine kanadische Unternehmerin. Die Mitglieder stammen aus Europa und Nordamerika und weisen unterschiedliche berufliche Hintergründe auf. Unter ihnen befinden sich der ehemalige EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, Michael O’Leary, CEO von Ryanair, und der österreichische Medienmanager Gerhard Zeiler.
Österreichische Vertreter findet man auch in den ehemaligen Mitgliedern des Steering Committee, unter anderem Franz Vranitzky, Hannes Androsch und Rudolf Scholten, der sich bereit erklärt hat, uns im Rahmen eines Videointerviews bessere Einblicke in die Welt der Bilderberg-Konferenz zu liefern.
Interview mit Dr. Rudolf Scholten
Dr. Rudolf Scholten, geboren 1955 in Wien, war in den Jahren von 1990 bis 1997 als Bundesminister für verschiedene Ressorts zuständig, unter anderem Unterricht, Wissenschaft, Forschung, Sport und Kunst. Von 1997 bis 2016 war er in hochrangigen Positionen für die österreichische Kontrollbank sowie ab 2004 als Präsident des Bruno-Kreisky-Forums für internationalen Dialog tätig. Rudolf Scholten war auch Mitglied des Steering Committees und damit mit für die Gestaltung der Konferenz und ihrer Zusammensetzung verantwortlich. In unserem Interview sprechen wir mit ihm über die Bilderberg-Konferenz, ihren besonderen Reiz und den Faktor der Geheimhaltung. Auch das Thema der Verschwörungen kommt nicht zu kurz. Wir fragen nach, ob es vielleicht sogar nachvollziehbar ist, dass über eine weitgehend geheime Konferenz Verschwörungstheorie entstehen. Und für wie gefährlich hält er Verschwörungstheorien im Allgemeinen?
Bildnachweis: „Bilderberg Arrival“ by Tyler Merbler, CC BY 2.0