Medien und Verschwörungstheorien: Eine untrennbare Einheit?
Verschwörungstheorien wie die zu 9/11 sind, besonders zu Zeiten der Digitalisierung, leicht zu finden und noch leichter zu verbreiten. Liegt es aber wirklich an der Generation Internet, dass Verschwörungstheorien immer mehr Aufmerksamkeit erlangen? Können Massenmedien mit dem Thema „richtig“ umgehen? Dazu befragten wir die Medienwissenschaftlerin Deborah Wolf M. A.
Verschwörung.at: Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Verschwörungstheorien rundum 9/11?
Wolf: 2016 schrieb ich meine Masterarbeit über die Aufarbeitung des 11. Septembers im kollektiven und auch medialen Gedächtnis, bei der Recherche bin ich auf Verschwörungstheorien gestoßen. Da ist mir aufgefallen, dass diese verschwörungstheoretischen Videos und Filme alle eine sehr spezielle Ästhetik haben. Damit wollte ich mich genauer beschäftigen, weswegen ich meine Doktorarbeit darüber schreibe.
Verschwörung.at: Wie sind die Medien mit den Verschwörungstheorien zu 9/11 umgegangen?
Wolf: Zum einen finde ich es relativ schwierig in dem Zusammenhang von „den Medien“ generalisierend zu sprechen. Was man beobachten kann ist wie offizielle Stellen mit Verschwörungstheorien umgehen oder umgegangen sind. Zum Beispiel die 9/11 Untersuchungskommission, eingesetzt von der damaligen US-Regierung. Deren primäre Strategie war es eigentlich Verschwörungstheorien zuvorzukommen, dadurch, dass es jetzt doch einige 9/11 Verschwörungstheorien gibt, muss man sagen, dass sie darin nicht sehr Erfolgreich waren.
Eine weitere Strategie ist das sogenannte „debunking“, also das Widerlegen von Verschwörungstheorien. Im internationalem und nationalem Kontext wurde oft versucht Verschwörungstheorien und auch VerschwörungstheoretikerInnen einzuordnen und somit auch zum Beispiel rechtsextreme Verschwörungstheorien aufzudecken. Wieder andere greifen die Verschwörungstheorien auf und versuchen sie in spannenden Geschichten zu verarbeiten, oft in so einem halbernsten oder auch im fiktionalen Modus.
Verschwörung.at: Also kann es auch passieren, dass die Massenmedien, wenn auch unbeabsichtigt, diese Verschwörungstheorien verbreitet haben oder die Verbreitung mindestens begünstigt haben?
Wolf: Das finde ich auch wiederum schwierig zu beantworten. Verschwörungstheorien argumentieren sehr oft selbst immunisierend, das heißt, wenn etablierte Medien Verschwörungstheorien kritisch beleuchten, dann wird behauptet, dass diese natürlich lügen würden und Teil der Verschwörung wären. Das wird dann als Bestätigung gewertet. Das selbe Prinzip gilt, wenn Verschwörungstheorien nicht erwähnt werden, dann wird gesagt: „Naja aber sie unterdrücken unsere Wahrheit“. Ich finde es immer unglaublich schwierig zu sagen was jetzt richtig und falsch war bzw. ist. Generell ist das Wichtigste, gerade für 9/11 Verschwörungstheorien, das Aufkommen des Internets. Die Anschläge haben sich 2001 ereignet und die Aufarbeitung hat in den Jahren danach begonnen, die Zeit in der das Internet an Bedeutung gewonnen hat.
Verschwörungstheorien gibt es schon länger und die können sich natürlich nie ohne Medien verbreiten. Das heißt spezifische mediale Strukturen haben natürlich Einfluss auf die Verschwörungstheorien. Der Bedeutungszugewinn von online Strukturen hatte zur Folge, dass zum Beispiel Filme oder Videos wichtiger wurden. Verschwörungstheorien haben eine größere Sichtbarkeit erlangt, unter anderem auch deswegen, weil die Gatekeeper Funktion von traditionellen Massenmedien weggefallen ist.
Verschwörung.at: Glauben Sie es ist eine so eine rasante Verbreitung bzw. überhaupt eine Verbreitung von Verschwörungstheorien ohne das Internet überhaupt möglich?
Wolf: Ja, Verschwörungstheorien konnten sich auch ohne das Internet verbreiten und das hat auch die Geschichte gezeigt. Es gibt Forschung darüber, ob es in der Antike oder im Mittelalter schon Verschwörungstheorien gab. Spätestens seit der Neuzeit gibt es aber Verschwörungstheorien, in dem Sinne, wie wir sie heute kennen. Die haben sich alle über andere Medien verbreiten können. Teilweise waren sie auch sehr einflussreich.
Um ein Beispiel zu nennen: Die Verschwörungstheorie über eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung ist auch im Nationalsozialismus sehr weit verbreitet und sehr folgenreich gewesen. In dem Sinne ist es natürlich ein bisschen schwierig zu sagen, dass wir jetzt durch das Internet im Zeitalter der Verschwörungstheorien leben würden, aber es verändert sich auf jeden Fall etwas. Ich glaube, dass besonders das Verschwörungsdenken im Alltag präsenter geworden ist. Wenn jemand zum Beispiel Social Media nutzt ist man täglich, selbst wenn man sich nicht freiwillig mit dem Thema auseinandersetzt, viel stärker damit konfrontiert. Verschwörungstheorien sind viel sichtbarer geworden, weswegen wir uns auch anders mit dem Thema auseinandersetzen müssen.
Die Verschwörungstheorien zu 9/11 und die persönliche Einschätzung von Frau Wolf finden Sie hier. An dieser Stelle noch ein Dankeschön an Deborah Wolf für das Interview.
Bild: Klaus Polkowski/Universität Freiburg